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''(Interview der Nordbadischen Zeitung mit Herrn Stephan Siemens vom Februar 2009)'' |
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Burnout sehe ich nicht als ein individuelles, sondern als aktuelles gesellschaftliches Phänomen, wie die steigenden Zahlen zeigen. Eine wichtige Ursache liegt in der sich ändernden Arbeitsorganisation: Die Menschen arbeiten nicht mehr an Maschinen aufgrund von Anweisungen, sondern sie wirken z. B. in Teams und Projektgruppen gewinnorientiert zusammen. Die Beschäftigten üben dabei unternehmerische Funktionen gegenüber dem Markt und gegeneinander aus. Sie machen Druck aufeinander und treiben – wenn sie nicht aufpassen – sich selbst und einander in die Erschöpfung. Erschöpfung aber ist der Anfang von Burnout. |
Burnout sehe ich nicht als ein individuelles, sondern als aktuelles gesellschaftliches Phänomen, wie die steigenden Zahlen zeigen. Eine wichtige Ursache liegt in der sich ändernden Arbeitsorganisation: Die Menschen arbeiten nicht mehr an Maschinen aufgrund von Anweisungen, sondern sie wirken z. B. in Teams und Projektgruppen gewinnorientiert zusammen. Die Beschäftigten üben dabei unternehmerische Funktionen gegenüber dem Markt und gegeneinander aus. Sie machen Druck aufeinander und treiben – wenn sie nicht aufpassen – sich selbst und einander in die Erschöpfung. Erschöpfung aber ist der Anfang von Burnout. |
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Aktuelle Version vom 21. September 2012, 11:50 Uhr
BURNOUT – EIN GESELLSCHAFTLICHES PHÄNOMEN
(Interview der Nordbadischen Zeitung mit Herrn Stephan Siemens vom Februar 2009)
Was ist nach Ihrer Erfahrung die Hauptursache für Burnout?
Burnout sehe ich nicht als ein individuelles, sondern als aktuelles gesellschaftliches Phänomen, wie die steigenden Zahlen zeigen. Eine wichtige Ursache liegt in der sich ändernden Arbeitsorganisation: Die Menschen arbeiten nicht mehr an Maschinen aufgrund von Anweisungen, sondern sie wirken z. B. in Teams und Projektgruppen gewinnorientiert zusammen. Die Beschäftigten üben dabei unternehmerische Funktionen gegenüber dem Markt und gegeneinander aus. Sie machen Druck aufeinander und treiben – wenn sie nicht aufpassen – sich selbst und einander in die Erschöpfung. Erschöpfung aber ist der Anfang von Burnout.
Was können Menschen tun, damit sie nicht „ausbrennen“?
Erstens müssen wir uns bewusster entspannen: Viele Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation werden von den Krankenkassen unterstützt. Zweitens müssen wir lernen, uns durch Reflexion und Nachdenken aus der Arbeit wieder zu gewinnen. Wir müssen uns auf die Veränderungen am Arbeitsplatz einstellen.
Warum bieten Sie die Seminare und Vorträge zur Burnout-Prävention gerade im gewerkschaftlichen Bildungsbereich an?
Die Aufgabe der Gewerkschaften ist es unter anderem, sich mit den Formen der Arbeitsorganisation in den Unternehmen im Interesse der Beschäftigten auseinanderzusetzen. Insofern ist die gesellschaftliche Burnout-Prävention ein ureigenster Bestandteil der gewerkschaftlichen Interessenvertretung. Die Beziehung der Beschäftigten untereinander wird vermehrt ein Mittel, den Unternehmenszweck zu realisieren. Daher müssen die Mitarbeiter lernen, die Kontrolle über ihre Beziehungen wiederzugewinnen, wenn Burnout verhindert werden soll.
Wie sieht ihre Initiative zur Burnout-Prävention aus?
Durch die oben genannten Änderungen der Arbeitsorganisation besteht die Gefahr des Selbstverlusts in der Arbeit, die in Burnout enden kann. Daher halte ich es für erforderlich, sich selbst aus der Arbeit zurückzugewinnen. Zu diesen Themen halte ich nicht nur Vorträge, sondern biete Seminare im Zusammenhang der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit sowie zur Qualifikation von Betriebsräten an.
„Meine Zeit ist mein Leben“ klingt ja sehr philosophisch, was meinen Sie damit konkret?
Mit geht es darum, gegen die Gefahr des Selbstverlusts, sich selbst wieder zu gewinnen. Deswegen schlage ich vor, den Terminkalender rückwärts zu verwenden und durch emotional belastende Ereignisse zu ergänzen. Aus der Art und Weise, wie ich meine Zeit wirklich verbringe, kann ich erfassen, wer ich bin und was mich treibt - und mich dann damit auseinandersetzen. Daran schließen sich auch die betrieblichen und gewerkschaftlichen Formen der Auseinandersetzung mit Burnout an.
Stephan Siemens ist Philosoph und Burnout-Experte aus Köln. Er beschäftigte sich in den 90er Jahren mit den Veränderungen der Organisation der Arbeit bei IBM Deutschland. Seine Initiative „Meine Zeit ist mein Leben!“ wurde von den Beschäftigten von IBM Düsseldorf zur Auseinandersetzung mit ihren Arbeitsbedingungen genutzt. In seinem Ansatz zur Gruppenarbeit und Kommunikation in Gruppen verbindet Stephan Siemens fundierte Theorie und Besinnung auf sich selbst. Seit 1995 ist er im Zusammenhang mit der IG Metall und anderen Gewerkschaften aktiv, um die Auseinandersetzung mit den neuen Formen der Arbeitsorganisation zu begleiten.