Kritik der Vorstellung des "Arbeitskraftunternehmers"
Kritik der Vorstellung des "Arbeitskraftunternehmers"
Die Vorstellung ist zunächst deswegen beschränkt, weil sie eine geschichtliche Entwicklung an Eigenschaften von Individuen festmacht. Das hat fatale Konsequenzen: Man versteht nicht, wie eine solche Entwicklung eintreten kann. Deswegen schreibt man es äußeren Mächten zu: Die Globalisierung, die Technikentwicklung, die "Beschleunigung", das sind ominöse Mächte, die die Beschäftigten nötigen, zu "Arbeitskraft-Unternehmern" zu werden. Dadurch erscheint - was Ausdruck der Entwicklung der produktiven Kraft der Kolleginnen und Kollegen ist - als Mangel, als Nachteil oder als äußerem Druck geschuldet. Tatsächlich ist die Übernahme der Unternehmerfunktionen Ausdruck der gewachsenen Kraft der Beschäftigten.
Überdies wird durch dieses Verfahren eine gesellschaftliche Entwicklung individualisiert. Am Arbeitsmarkt mag es so aussehen, als ob individuelle Arbeitssuchende "Unternehmer" ihrer eigenen Arbeitskraft seien. Da werden aber die Beschäftigten nur als "Arbeitskräfte", als möglicherweise arbeitende Menschen betrachtet. In der wirklichen Arbeit nehmen die Kolleginnen und Kollegen in der Zusammenarbeit gemeinschaftlich mehr und mehr Unternehmerfunktionen wahr. Das tun sie nicht als Individuen oder als vereinzelt arbeitende Beschäftigte, sondern in organisierten Zusammenhängen, als Team, als Profitcenter, als teilautonome Unternehmenseinheiten. Sie sind also nicht vereinzelte "Unternehmer", sondern in ihrer wirklichen Arbeit kooperierende und gemeinschaftlich die Unternehmerfunktion wahrnehmende Mitarbeiter.
Deswegen trifft es auch nicht zu, dass die Arbeitskraft dem "Unternehmer" untergeordnet ist, wie das die Formulierung vom "Arbeitskraftunternehmer" nahelegt, der als "Unternehmer" seiner Arbeitskraft aufgefasst wird. Es ist vielmehr umgekehrt: Die Beschäftigten müssen lernen, sich in ihrer Zusammenarbeit die Unternehmerfunktion unterzuordnen. Dass sie das noch nicht können (weil sie die Notwendigkeit, dies zu tun, noch nicht erfasst und verstanden haben), ermöglicht den soziologischen Theoretikern eine Verkehrung der Aufgabe in ihr Gegenteil vorzunehmen. Dadurch scheint es so, als wäre das die endgültige Durchsetzung des unternehmerischen Denkens und des "freien" Unternehmertums, wo es sich in Wirklichkeit um die Aneignung der Fähigkeiten des unternehmerischen Handeln durch die zusammenarbeitenden Beschäftigten handelt, also die Überwindung des "freien" Unternehmertums zugunsten der freien Zusammenarbeit der arbeitenden Menschen - wenn auch noch nicht die Zusammenarbeit freier Menschen.
Dazu ist eine Überlegung hilfreich, die zunächst nicht naheliegend scheint: Die "Arbeitgeber" - um mich dieser Redeweise zu bedienen - übergeben die Unternehmerfunktionen mehr und mehr den Beschäftigten selbst - um ihre Gewinne zu erhöhen. Was kann man daraus schließen? Zumindest wirft das die Frage auf, ob es tatsächlich die Unternehmerfunktion ist, für die die "Arbeitgeber" ihr Geld bekommen. Denn sonst wäre die Abtretung der Unternehmerfunktion unvereinbar mit der Erhöhung der Gewinne. Die Arbeitgeber sparen den "Unternehmerlohn" und erhöhen dadurch ihre Gewinne. Das regt dazu an, darüber nachzudenken, wofür die "Arbeitgeber" ihre Gewinne erhalten.