Warum sollte man den gesellschaftlichen Zusammenhang beachten?

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Warum sollte man den gesellschaftlichen Zusammenhang beachten?

Aber eine Prävention ist nicht eine wissenschaftliche Abhandlung. Dass man in der Wissenschaft den gesellschaftlichen Zusammenhang beachten sollte, ist sicher nachvollziehbar. Aber was weniger nachvollziehbar ist, ist die Frage, warum das zur Prävention von Burnout beitragen soll.

Zunächst ist vielleicht ein Vergleich mit Diabetes II (sogenannter Altersdiabetes) sinnvoll. Diabetes II ist - als Massenkrankheit - Ausdruck bestimmter Essgewohnheiten. Wenn man das erkennt, kann man Diabetes II - wenn auch nicht absolut sicher, aber doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - zumindest weit hinauszögern, wenn nicht überhaupt verhindern. Man nimmt die entsprechenden Nahrungsmittel nur sehr beschränkt zu sich und isst stattdessen viel Obst, Gemüse und Vollwertkost. Dazu ist aber nicht nur notwendig, zu erkennen, dass einem das Andere nicht gut tut. Man muss auch erkennen, warum es einem oder einer immer wieder angeboten wird und als besonders schmackhaft präsentiert wird. Man muss überdies erkennen, warum die entsprechenden Produkte sehr viel billiger sind. Man muss sich Anreizen, die in Richtung von weißem Mehl, raffiniertem Zucker und geschältem Reis etc. gehen, widersetzen können. Dazu bedarf es einer bewussten Auseinandersetzung mit ihnen. Und man muss erkennen, wann und warum das vorzeitige Angebot von künstlichem Insulin an den eigenen Körper selbst gesundheitlich problematisch sein kann. Das sind alles Erkenntnisse, die zu einer sinnvollen Prävention von Diabetes II beitragen.

Bei Burnout ist der Fall noch klarer: Wovor muss ich mich schützen, um mich der Gefahr des Burnout zu widersetzen? Auf diese Frage muss Burnout-Prävention eine Antwort geben.

Die meisten antworten: Vor mangelndem Management. Ich muss - wenn ich Burnout vermeiden will, mein Management verbessern: Mein Zeitmanagement, mein Selbstmanagement, mein Stressmanagement etc. Dem kann man im Allgemeinen sicher etwas abgewinnen. Aber Verbesserung des Managements schützt nicht vor Burnout. Im Gegenteil: Man kann es auch übertreiben, und in der Regel ist gerade das der Fall. Management verhindert nicht Burnout, sondern führt - wenn es übertrieben wird - geradewegs zu Burnout.

Viele antworten auch: Indem ich aufhöre, immer zu denken und speziell an die Arbeit zu denken. Es ist in der Tat wichtig, zur Ruhe zu kommen. Es entlastet und bringt neue Kräfte. Solche Erholung ist nicht zu unterschätzen, und sie stärkt auch im der Auseinandersetzung mit Burnout. Aber sie ändert nichts an der Ursache, die zu Burnout führt. Es handelt sich mehr darum, sich mit der Gefahr zu arrangieren, als sich mit der Ursache von Burnout auseinanderzusetzen. Wie die Verbesserung des Managements hat auch diese Antwort ihre beschränkte Berechtigung. Aber sie kann nicht ersetzen, sich tatsächlich mit den Gefahren des Burnout auseinanderzusetzen.

Schließlich gibt es die Antwort: Indem ich Automatismen in meinem Handeln unterbreche und mich mehr auf mich selbst besinne. Diese Antwort, die mit dem Titel "Achtsamkeit" versehen ist, enthält schon eine Form der Auseinandersetzung mit dem Management als möglicher Ursache von Burnout. Aber "Achtsamkeit" verstellt in der Regel den Blick auf den Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen Prozessen, die zu Burnout führen, und den individuellen Bedrohungen. Es wird gesagt: Diese gesellschaftlichen Entwicklungen gibt es zwar, mit denen beschäftigen wir uns aber hier nicht. Das müssen andere tun oder man muss es in anderen Zusammenhängen tun. Mit andern Worten: Zur Burnoutprävention trägt das nichts bei. Um sich mit der Gefahr des Burnout auseinanderzusetzen, bedarf es der Gelassenheit, des Abschaltens, des Unterbrechens der Automatismen von Aktion und Reaktion, damit ich bewusst entscheiden kann, was ich mache und was nicht.

Interessant ist in allen diesen Vorschlägen, dass eine individuelle Macht gegenüber den Prozessen vorausgesetzt wird, die zu Burnout führen. Diese Macht wird dadurch erreicht, dass von dem gesellschaftlichen Charakter dieser Prozesse abstrahiert wird. Damit aber wird vorausgesetzt, was erst zu erreichen ist. Denn diese Macht ist - das eben zeigt Burnout - nicht gegeben. "Meine Zeit ist mein Leben!" entwickelt aus der Erfahrung der eigenen Ohnmacht diesen gesellschaftlichen Prozessen gegenüber die Notwendigkeit wie die Möglichkeit der Burnout-Prävention. Dafür ist der Dreh- und Angelpunkt der, dass die Menschen, die von Burnout betroffen sind, selbst in ihrer Kooperation in der gesellschaftlichen Produktion die Kräfte hervorbringen, denen sie unterworfen sind und die zu Burnout beitragen. Um diesen Gesichtspunkt in den Blick zu kriegen, darf man von dem gesellschaftlichen Charakter der Bedrohung nicht abstrahieren.

Wie kann man sich mit Burnout auseinandersetzen?



Ist Burnout eine Krankheit?




Zur Prävention von Burnout